Die Impro-Philosophin

Manche klettern mit bloßen Händen an glatten Felswänden hinauf und stürzen sich in Flügelanzügen von denselben herunter, um den Nervenkitzel und damit sich selbst zu spüren. Andere lassen sich in den Sümpfen Amazoniens aussetzen oder wandern allein zum Südpol, wenn ihnen danach ist. Marianna Ölmez hingegen macht Impro. „Der Moment auf der Bühne ohne Vorbereitung, ohne Sicherheit, das ist so aufregend“, sagt sie. Vor allem dann, wenn sie spürt, dass die Szenen funktionieren und dass das Spiel dramaturgische Wendungen nimmt, mit denen sie nicht rechnen konnte: „Das ist das höchste Gefühl“, Gipfelglück, könnte man sagen, und eine Form der Vervollkommnung. Improvisation sei ihr mittlerweile zur Philosophie geworden, die sie durchs Leben trägt.

Marianna Ölmez spielt außerdem auch Theater ohne Impro, mit normalen Proben sozusagen, und nach Texten, die vorher schon aufgeschrieben sind. Unter anderem auch von ihr selbst: Die zweifache Mutter hat sich inzwischen als Dramatikerin einen Namen gemacht, mit Stücken über die Liebe, die alle gängigen Klischees der postmigrantischen Lebenswelt aufgreifen und so durcheinander wirbeln, dass für interkulturelle Sozialromantik garantiert kein Platz mehr übrigbleibt. Und als ob das alles – Schauspiel, Autorin, Mutter – noch nicht genug wäre, führt sie außerdem Regie und ist mittlerweile Studentin der Drehbuchwerkstatt, dem renommierten Fortbildungsinstitut der Filmhochschule München. Improvisationsgabe ist bei diesem vielschichtigen Lebensentwurf durchaus gefragt.